Freiheitsliebe vs. Jägerlatein

Freiheitsliebe vs. Jägerlatein Mein Wildfang® Nicole Lützenlirchen

Freiheitsliebe vs. Jägerlatein

Der Versuch einer artübergreifenden Kommunikation

– Zwiegespräch zwischen Hundehalter und Jäger –

Das Verhältnis von Hundehaltern und Jägern ist nicht immer das Beste. Treffen beide aufeinander, liegt oft schon Spannung in der Luft. Automatisch werden imaginäre Schubladen im Kopf geöffnet und die alt bekannten Vorurteile herausgekramt.

Doch liegt es an der Jägersprache, die von den Waidgesellen genutzt wird und die ein Nichtjäger kaum versteht? Oder liegt es an der unbändigen Freiheitsliebe des Hundehalters, der sich in seinen Rechten eingeschränkt sieht, sich frei im Wald zu bewegen, dass es immer wieder zu Vorurteilen oder sogar zu lautstarken Auseinandersetzungen kommt?

Durchatmen, bevor der Vorhang des täglichen Wahnsinns sich öffnet …

Der Wecker klingelt. Ich habe das Gefühl, mich im Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“ zu befinden. Rein in die Klamotten, mal schnell am Kaffee genippt und die Hundeleine geschnappt. Raus zur schnellen Runde durch den Wald. 30 Minuten durchatmen, bevor der Alltagstrott beginnt. Da möchte man doch manchmal Hund sein. Schlafen, fressen, durch den Wald stromern. Einfach mal seiner Nase folgen und schauen was sich so findet, p-Mails lesen oder einer interessanten Spur folgen, hier und da eine Nachricht für die, die da kommen werden, absetzen. Wild und ungestüm durch den Busch laufen und sich den Wind um die Nase wehen lassen. Wie gerne würde ich da mal für einen Tag mit ihm tauschen! Leicht schmunzelnd über diesen Gedanken und die Möglichkeiten, die sich daraus ergeben könnten, trotte ich weiter hinter meinem Hund her, beneide ihn ein bisschen und lasse ihn einfach sein Ding machen und freue mich an seinem glücklichen Gesicht, wenn er hechelnd an mir vorbeispurtet und mit vollem Elan durch den Wald rennt.

Logenplatz in der Morgenstunde

Die Sonne geht gerade über dem Feld auf. Leichter Nebel liegt noch in der Luft und die Tautropfen glitzern in der aufgehenden Sonne. Die ersten Vögel fangen an zu zwitschern. Ich lasse meinen Blick durch das Fernglas über den Waldrand gleiten. Am Feldrand entdecke ich zwei lange Lauscher, die sich im Wind drehen. Anscheinend hat die Ricke nichts Verdächtiges gehört und tritt mit ihren beiden Kitzen auf die Lichtung. Endlich bekomme ich die beiden Kleinen zu Gesicht. Bisher konnte ich nur Vermutungen anstellen. Zwei kleine Kitze, rotbraunes Fell mit ihren weißen Punkten, zwei große schwarze Nasen neugierig in den Wind gestreckt. Es hat sich wieder einmal gelohnt, für diesen Anblick so früh am Morgen aufzustehen. Vergessen ist die ganze Arbeit des vergangenen Jahres. Wildäcker bestücken und Hecken pflanzen, damit das Wild eine Rückzugsmöglichkeit hat. Die Streuobstwiese pflegen und bei tiefsten Minustemperaturen im kniehohen Schnee das Wild in Notzeiten füttern, weil das Nahrungsangebot durch die Witterungsbedingungen gegen Null gegangen ist.

Ich werfe noch kurz einen Blick unter den Hochsitz, wo mein Vierbeiniger Jagdgefährte ruhig und entspannt neben meinem Rucksack liegt, lehne mich entspannt zurück und genieße diesen wunderbaren Anblick.

Der perfekte Moment … fast!

Beide Bilder für sich vermitteln einen Zustand des perfekten Moments, von denen wir in unserem Alltag vielleicht viel zu wenige haben und genießen können. Umso wertvoller sind diese Momente für uns und umso empfindlicher reagieren wir, und wie ich finde völlig zurecht, wenn diese Momente plötzlich wie eine Seifenblase zerplatzen.

Was aber passiert, wenn diese Momente für den Hundehalter durch eine unentspannte Jägerin, die gerade fuchsteufelswild und sich wie ein Rumpelstilzchen aufführend aus dem Busch gestapft kommt, enden? Oder wenn ich als Jägerin auf dem Hochsitz sitze und ein Hund mir den Anblick von der Ricke mit den beiden Kitzen vermiest? Dann ist es vorbei mit der Harmonie und für jeden der beiden Parteien zerplatzt der Zauber des Moments wie eine Seifenblase. Jeder fühlt sich in seinen ganz persönlichen Bedürfnissen beeinträchtigt. Verständlich, dass beide Parteien nicht entspannt aufeinander reagieren und die Toleranz füreinander gegen Null geht.

Gut zu wissen, was man (nicht) an der Leine hat

Drahthaar Viszla Mein Wildfang®
Was treibt den Hund dazu, plötzlich, als würde ein Schalter umgelegt werden, vom Sofawolf zum Wildfang zu mutieren? Es sind seine Instinkte, die ihn leiten, und für ihn ist es keine Frage von richtig oder falsch. Eine gefundene Spur eines vor kurzem über den Weg gelaufenen Hasen oder eine Bewegung jenseits des Weges lösen sie aus. Es ist ein Reiz, dem er sich nicht entziehen kann.

„Es ist von Vorteil, die ganz individuellen Lieblingsreize und Vorlieben seines Hundes zu kennen, um vorausschauend handeln zu können und um im richtigen Moment präsent zu sein“.

Darum ist es meiner Meinung nach eine Grundvoraussetzung für den Freilauf eines Hundes, dass ich einen gut erzogenen Hund habe, bei dem ein Verhaltensabbruch zuverlässig möglich ist und den ich in jeder Situation stoppen und heranrufen kann. Habe ich mit meinem Hund einen zuverlässigen Rückruf erarbeitet, kann ich ihm entspannt mehr Freiräume bieten. Funktioniert der Rückruf nicht zuverlässig und ist eher ein Glücksspiel, sollte der Wildfang lieber an der Leine geführt werden, um brenzlige Situationen zu vermeiden und um niemanden in Gefahr zu bringen. Denn ich als Hundehalter habe die alleinige Verantwortung für das Handeln meines Hundes.

Ja, jetzt wird der ein oder andere sicherlich aufschreien. Aber was bedeutet diese Einschränkung im Vergleich zu den Möglichkeiten, die wir unserem Hund heute alternativ bieten können, wenn es nicht so gut mit dem Rückruf klappt. Mittlerweile gibt es unzählige Angebote von Hundesportvereinen und Hundeschulen, in denen man unter fachlicher Anleitung seinen Hund entsprechend seiner Vorlieben auslasten kann. Gemeinsam eine künstlich gelegte Fährte auszuarbeiten, zu apportieren oder vermisste Personen zu suchen – mal ehrlich, was könnte uns besser zusammenschweißen als gemeinsame Erfolge zu feiern? Und wem das von der Bewegung her immer noch zu wenig ist, kramt die Joggingschuhe raus oder macht den Drahtesel wieder fit.

Rahmenbedingungen für den Wildfang in Wald und Feld

Was dürfen denn nun Hund und Halter im Wald überhaupt tun? Ein Betretungsrecht in Wald und Flur hat grundsätzlich jeder. Ausnahmen gibt es aber bei besonders geschützten Gebieten wie z. B. Naturschutzgebiete oder Wildruhezonen, die nur auf den Wegen betreten werden dürfen.

Bei der Gesetzgebung für Hundehalter mit freilaufenden Hunden muss man allerdings schon etwas genauer hinschauen. In Deutschland gibt es hierzu keine einheitlichen Regeln, sie sind von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Die Vorgaben reichen von uneingeschränktem Freilauf bis hin zur generellen Leinenpflicht.

Wie sieht es mit den Rechten und Pflichten eines Waidmanns aus?

Leben mit einem Spezialisten - Jagdhunde Mein Wildfang® - Nicole Lützenkirchen

In den meisten Fällen ist es so, dass der Jäger nicht gleich der Eigentümer des Waldes ist, auch wenn er manchmal so auftritt. Er hat meist lediglich das Recht gepachtet, in diesem Gebiet die Jagd auszuüben. Zu diesem Recht gehören aber auch eine Menge Pflichten. Er hat die Aufgabe, den Bestand der Waldbewohner genau so groß zu halten, dass Familie Wildsau nicht täglich in den Maisfeldern von Bauer Kunze ein wahres Gelage veranstaltet und die Ernte zunichtemacht oder Herrn Bocks und Frau Rickes Vorlieben für zarte Sprösslinge den Bestand an Bäumen und Pflanzen nicht bedroht. Er muss die Waage halten zwischen natürlichem Nahrungsangebot und der Größe des Wildbestandes, ansonsten zahlt der Jäger die Zeche. Definitiv kein einfacher Job. Hält Familie Wildsau mal wieder ein Gelage im Maisacker ab, so muss der Jagdpächter für den Schaden aufkommen.

Er hat aber auch dafür zu sorgen, dass das Wild nicht in ihrem grünen Wohnzimmer gestört werden, sie ihren Nachwuchs in Ruhe aufziehen können, die „Einrichtung“ passt und der „Kühlschrank“ entsprechend der jeweiligen Vorlieben gefüllt ist. Das Ganze ist in Gesetzen wie z. B. dem Bundesjagdgesetz, dem Landschaftsschutzgesetz und im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verankert.

Was dem Einen einen Dopaminkick verschafft, verschafft dem Anderen einen Adrenalinschub.

 

Die Freiräume, in denen sich die Waldbewohner heute bewegen können, werden durch die Nachfrage an Industriegebieten, Wohnraum und durch den Straßenbau immer kleiner.

Jede Störung und jede Flucht ist ein Energieverlust und bedeutet puren Stress, besonders im Winter und in der Zeit der Trächtigkeit. Herr Bock, Meister Lampe und Frau Bache, denen gerade aufgelauert und nachgestellt wird, wissen nicht, dass der Wildfang es ja (meist) gar nicht schafft, sie zu packen, und einfach Spaß hat, ihnen hinterher zu laufen. Für sie ist es jedes Mal eine lebensbedrohende Situation.

Dabei werden sie aufgrund ihrer sehr begrenzten Rückzugsmöglichkeiten gezwungen, Fluchtwege zu nutzen, bei denen sie häufig auch über Straßen, Autobahnen oder Gleise laufen müssen. Hierdurch steigt die Gefahr eines Unfalls für Wild, Hund und Mensch immens. Jeder Hundebesitzer, egal ob Familien- oder Jagdhund, sollte sich im Klaren sein, was ein solcher Wildunfall auf der Autobahn oder einer viel befahrenen Straße bedeuten kann und wie es ist, als Autofahrer in der Situation zu sein, dass einem Reh und Hund vor das Auto laufen.

Soweit das Soll, aber was ist mit dem Ist-Zustand? Wir sind alle nicht perfekt und so hängt der eine seinen Gedanken nach und achtet nicht auf seinen Hund und schon ist es passiert, und dem anderen platzt trotz hoher Frustrationstoleranzgrenze die Hutschnur und er macht sich Luft. Beides absolut menschlich und nachvollziehbar.

Ein Aufeinandertreffen ist unausweichlich…was kann man tun?

Vorbild tut Not…

Als Jägerin bin ich in der Pflicht, das, was ich von den Hundehaltern erwarte, vorzuleben. Das bedeutet für mich, dass ich außerhalb aller jagdlichen Aktivitäten meinen Hund auch nur auf dem Weg führe und ihn nicht über Wiesen und Felder, sowie quer durch den Wald rennen lasse. Genauso gilt für den Jagdhund, dass es generell, egal ob auf der Jagd oder auf den Spaziergängen, einen Verhaltensabbruch gibt und ich ihn in jeder Situation stoppen kann. Wie sonst soll ich einem Hundehalter glaubhaft gegenübertreten und ihn bitten, seinen Hund nur auf den Wegen laufen zu lassen, wenn ich es nicht selber tue?

Die „Waidgerechtigkeit“, der jeder Jäger verpflichtet ist, fordert nicht nur Respekt vor der Natur und dem Wild zu zeigen, sondern auch gegenüber dem Menschen. Meine Aufgabe ist es also auch, meine Wut so manches Mal hinunterzuschlucken, meinem Gegenüber offen und mit Respekt entgegenzutreten und ihn durch gezielte Aufklärung für die Umwelt zu sensibilisieren und Interesse und Verständnis zu wecken.

Der große Unterschied oder doch nur Ansichtssache?

Betrachtet man das Ganze mit einem ordentlichen Abstand, sind Jäger und Hundehalter doch gar nicht so verschieden. Wir sind gerne draußen, bewegen uns an der frischen Luft, genießen die Ruhe und den Augenblick.

Im Endeffekt hängt aber die Perfektion dieses Augenblicks von unserer persönlichen Einstellung und unserer Eigenverantwortung ab – nämlich von meinem Verhalten als Jäger oder Familienhundehalter mit meinem Jagdhund oder Familienhund in der Öffentlichkeit. Und davon, wie ich meinem Gegenüber entgegentrete, wie ernsthaft ich mich informiere und natürlich von meiner Bereitschaft, Ressourcen zu pflegen und zu schützen. Wie sehr bemühe ich mich außerdem, meine Schublädchen im Kopf einfach mal geschlossen zu halten und ohne pauschale Vorurteile auf einen anderen Menschen zuzugehen und ihm mit Wertschätzung zu begegnen?

„Ganz im Sinne von “So wie ich in den Wald hineinrufe, so schallt es auch wieder heraus“.

Egal ob vom Hochsitz oder vom Wegesrand!

Nicole Lützenkirchen

Möchtest du noch mehr zu diesem Thema erfahren?

Im März 2018 gibt es den Tagesworkshop „Die Welt im Kopf deines jagenden Hundes“ – Einen Tag abtauchen und die Welt im Wald durch die Augen deines Hundes betrachten, mehr über das Jagverhaltenn erfahren und sich auf die Spuren der Waldbewohner begeben.

Hier geht es zum Termin: Klick

Bin ich zu weit von dir entfernt? Dann hast du die Möglichkeit diesen Workshop für dich ganz alleine und genau dann zu machen, wenn du Zeit und Lust hast. Im Onlinekurs „Die Welt im Kopf deines jagenden Hundes“ findest du alle Inhalte des Live-Workshops.

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