Den Verleitungen widerstehen

Den Verleitungen widerstehen

„Ich will aber das Hasiiiiii“

von Sabine Nölke 

Zweimal in der Woche gehe ich in die Hundeschule. Nicht, dass ich das nötig hätte – oder vielleicht doch – unser Bayerischer Gebirgsschweißhund (BGS) Loisl schon. Die Auslastung des dreieinhalb Jahre alten Burschen stellt die Grundlage für ein friedvolles Miteinander dar. Lässt man die Leine im übertragenen Sinne schleifen, dann entwickelt er eigene Beschäftigungsmodelle, die meinen Vorstellungen nicht ansatzweise entsprechen. Bellen, jaulen und jedermann seine unmittelbare Befindlichkeit mitzuteilen, das gehört zur genetischen Grundausstattung des BGS. Loisl steigert sich da schnell hinein und singt wahre Arien darüber, dass er doch bitte beachtet, gefüttert und ausgeführt werden möchte. Er klagt darüber, dass er nicht zu jenem und diesem Hund hingelassen wird und begrüßt Fremde oft grunzend, was regelmäßig zu Fehleinschätzungen seitens der Zweibeiner führt, knurrt der etwa? Guten Freunden gibt er nicht nur ein Küsschen, die werden mit dem Wedeltanz und einem kräftigen Dudödeldi willkommen geheißen.

Ja, er ist ein bekennender Jodler, sein bajuwarisches Erbe kann er nicht verleugnen.

Niemand kommt ungesehen und unkommentiert an unserem Haus vorbei. Setzt man da nicht regelmäßig Grenzen, hält er sich für verantwortlich und für den Hausmeister. Meine Windhunde, die Deerhounds, werden ausgelastet, indem man sie einmal am Tag über die Wiesen galoppieren lässt. Das war es. Sie liegen 23 Stunden am Tag auf dem faulen grauen Fell und sammeln Energie für den Fall, dass sie einen Hirsch jagen müssen, in Schottland oder eben hier vor unserer Haustür. Da wäre es nur störend, wenn sie auch noch aufpassen müssten, wer da am Haus vorbeigeht. Dafür hat der Deerhound Personal oder einen Loisl. Insofern war der Einzug des Herrn Aloisius für mich eine echte Herausforderung. Mein Göttergatte hatte ihn mitgebracht. Und da er nicht nur sein Jagdkumpan, sondern auch unser Familienmitglied ist, kümmert sich auch der Rest der kleinen Familie – sprich ich – um Erziehung und Auslastung.

In seinem Fall heißt das Apportieren und Suchen, Fährten, Spuren … die Nase des Spezialisten muss beschäftigt werden.

Heute hatten wir wieder unsere Trainingsstunde, speziell für die Suche: den Suchentrupp. Engagiert und ambitioniert und sehr professionell wird dort mit den Hunden und Menschen gearbeitet. Der BGS soll souverän und mit der Nase am Boden konzentriert und ruhig suchen. Loisl hat diese Aussage über seine Rasse nicht richtig gelesen. Wahrscheinlich war da wieder was anderes interessanter. Eilig hat er es, er könnte doch was verpassen.

Die Fährte ist ja gleich auch noch da, aber dort, der Rüde, hebt sein Bein an diesem Baum, den muss ich doch kommentieren

Spurtreue und Fährtenreinheit standen heute auf dem Programm, die gehören beide nicht zu seinen hervorstechenden Fähigkeiten. Darum ist er auch schon einmal durch die Schweißhund-Prüfung gefallen, weil er nicht treu sein kann, wenn die Verleitungen locken. Mit dem Dummy wurde eine Spur auf dem Boden entlang gezogen. Zusätzlich gab es zwei Spuren, die die Dummyfährte kreuzten. Eine Federwild-Dummy-Spur und eine, die mit einem rosa Plüschhasen gezogen wurde. Die Aufgabe des Hundes war es nun, der Dummyfährte treu zu bleiben und sich weder von Feder- noch Plüschwild verleiten zu lassen.

Wir kamen ganz gut voran, die erste Verleitung, Federwild, wurde kurz bemerkt, aber dann ignoriert. Ha, ich begann bereits mich auf der Siegerseite zu fühlen. Die Federwildspur, die war doch tausend Mal schwerer zu ignorieren, als so ein rosa Plüschhase. Der lag wie ausgespuckt auf der Wiese, der Frühtau hatte ihm schon arg mitgespielt. Der Kreuzungspunkt der Hasenspur nahte, Loisl verharrte kurz und bog ab.

Scheinbar hatte ihm sein inneres Navi gesagt, an der nächsten Kreuzung links abbiegen. In 10 Metern haben sie ihren Zielhasen erreicht. Das Plüschziel liegt auf der linken Seite.

Ich blieb also, begleitet von unserer Hundetrainerin, stehen. Jetzt hieß es warten, bis Herr Hund wieder auf der richtigen Spur war. Die Hasispur durfte nicht zum Erfolg führen, belohnt wurde nur der richtige Weg. Dieses Mistnavi schien ihm aber eindringlich immer wieder dasselbe zu sagen. Kam er ein Stück zu uns zurück, drang ein „Sie befinden sich in einer Sackgasse, bitte wenden“ in seine großen Waschelohren. Er beschwerte sich lautstark darüber, dass er nicht zum Objekt seiner Begierde durfte. Durchdringendes Bellen, Verweisen, DA ist das Ziel. Ruhig, so ruhig man 5 Minuten bleiben kann, mit einem kläffenden Schweißhund an der Suchenleine, verharrten wir, beugten uns zur richtigen Spur herab, um ihn zu animieren. Es schien ein aussichtsloser Kampf zu sein. Ich will das Hasi, bellte er aus voller Kehle, wie ein Kind, das an der Kasse seine Lieblingsschokolade entdeckt hat. Nach gefühlten drei Stunden, leichten Rückenbeschwerden vom interessierten Vornüberbeugen und Klingeln in den Ohren vom Geläut des potentiellen Hasifinders, ließ er seine Nase endlich auf der richtigen Spur nieder.

Heureka, endlich konnte das Dummy aufgenommen werden.

Die Fähigkeiten zur Spurtreue und Fährtenreinheit sind durchaus ausbaubar, wäre eine geschmeichelte Umschreibung seiner Leistungen. Wie standen wir jetzt da? Mein Schweißhund konnte der Verleitung durch einen rosa Plüschhasen nicht widerstehen. Wäre es wenigstens das Federwild gewesen. Nicht viel besser, aber doch irgendwie jagdhundlicher, männlicher. Wie sollte ich das seinem Herrchen erklären? Rosa Plüschhasen gibt es ja im Wald nicht so viele, wenn die Verleitung sich also nur auf diese Spezies bezöge, dann wären wir fein raus. Doch leider ist dem nicht so. Bei einer zweiten Suche wollten wir ihm den Plüschhasen vermiesen. Es wurde wieder eine Dummyspur gezogen und die Verleitung mit dem Hasen lief kreisförmig über die Fährte und berührte sie an zwei Punkten. Sollte er ihr folgen, dann liefe er in die Irre, immer im Kreis und ohne was zu finden. Ohne Erfolgserlebnis. So der Plan.

Doch Loisl wäre nicht Loisl, wenn er da nicht schon was gemerkt hätte.

Sicher und ruhig suchte er über die beiden Verleitungspunkte hinweg. Bis er, fast am Ende der Suche, sicher wissend, dass da vorn in 6 Metern Entfernung sein Dummy lag, stehen blieb und bellte. Er zeigte uns, dass für ihn hier und jetzt die Suche beendet war. Kein Hasi, keine Suche, so einfach war das. Natürlich haben wir wieder gewartet, bis er die Nase erneut auf die Spur setzte. Endlich trabten wir mit dem Dummy zurück an den Startpunkt. Fünf – setzen!

Unsere Hausaufgaben sind klar. Wir werden sie machen. Und irgendwann werden wir auf der Spur sein und bleiben, auch wenn es rosa Plüschhasen vom Himmel regnet. Da haben wir schon ganz andere Sachen gemeistert.

Vielen lieben Dank an Sabine Nölke für diesen „Tatsachenbericht“. Mittlerweile arbeitet Herr Loisl seine Übernachtfährten sauber aus, auch wenn Hasi in der Nähe ist …

Der nächste Kurs und Workshop „Spurtreu -Suchen für Wilddiebe“ findet im März statt. Mehr Infos findest du unter Termine: klick!