Hunde und ihre Eignung für die Suche
Oder eine Sache der Erwartungshaltung?
Eine halbe Stunde vor dem Seminar „Suchen und Apportieren“ habe ich noch einmal die Folien gecheckt, die Handouts liegen auf den Tischen, das benötigte Material wie Dummy, Suchenleine und Fährtenband liegt auch zur Anschauung bereit. Ich schnappe mir noch schnell einen Michkaffee und gehe vor den Seminarraum um die ersten Teilnehmer die so nach und nach eintreffen zu begrüßen.
Das für mich übliche Bild auf solch einem Seminar präsentiert sich mir. Weimaraner, Vizsla, BGS, Teckel, Labrador und der ein oder andere Brackenmischling. Ich schaue mir die Hunde an und versuche einzuordnen was mich heute und morgen wohl draußen im Revier erwarten wird. Eine Dame fällt mir sofort ins Auge. Ich sehe keinen Hund, hatte sich jemand ohne Hund angemeldet? Im Kopf gehe ich die Teilnehmerliste noch einmal durch. Nein, alle mit Hund! Ich gucke noch mal ein wenig genauer. Ok, in dem Gewusel habe ich ihn wohl übersehen. Mein Blick geht weiter nach unten, sehr weit nach unten! Ein kleiner wuseliger Chi ….
Während des Theoretischen Teils lässt der kleine Herr mich nicht los. Ich referiere über die Einflussgrößen auf die Spur, Auslösefaktoren, Fährtenabgang, Einstieg in die Suche über das Apportieren … Apportieren, Moment! Meine Apportel sind alle mindestens so schwer wie der kleine Herr-Chi! Und wo wir gerade beim Thema Apportieren sind schaue ich zum Sitznachbarn des Herrn-Chi, der sich, in seinem Weimaranerschädel gerade die Reizsummenregel für Herrn Chi zurecht legt: es hat Karnickelgröße, es hat Fell, es atmet, es bewegt sich schnell … passt!
Ich habe einen leichten Schweißfilm auf der Stirn!!!
Aber welcher Hund ist denn nun geeignet für die Suche?
Was bringt der Hund mit?
Alle Hunde sind sogenannte Makrosmaten. Makrosmaten sind Lebewesen bei denen der Geruchssinn sehr gut entwickelt ist und eine besondere Rolle innerhalb der Sinne spielt. Das gilt erst einmal für alle Hunde, egal ob Chi oder Weimaraner.
Unterscheidung zwischen genetischer Disposition und ganz individueller Veranlagung …
Wir haben auf der einen Seite die genetische Disposition unserer Hunde. D.h. der Hund hat bestimmte Anlagen die besonders gut ausgeprägt sind, die er von Natur aus mitbekommen hat und die wir uns durch Zucht und Selektion zu nutze gemacht haben.
Das könnten zum Beispiel sein:
- Stöbern – bei der Deutschen Wachtel
- Apportieren – bei den Retrievern
- Vorstehen – zum Beispiel beim Pointer
- Lauffreudigkeit – bei den Bracken
Oder bei manchen Hunden: einfach nur nett sein!
Das heißt aber nicht, dass immer genau das drin steckt, was drauf steht. Neben der genetischen Veranlagung gibt es immer auch noch die individuelle Veranlagung eines Hundes.
Es gibt innerhalb einer Rasse und sogar innerhalb eines Wurfs absolute Überflieger, weniger talentierte Hunde oder halt den „Blümchenhund“.
Bei dem Überflieger müssen wir teilweise seine Talente etwas deckeln oder abmildern da uns durch seine Motivation auch schon mal aus der Hand gehen kann und über sein Ziel hinaus schießt. Bei den weniger Talentierten können wir das vorhandene Potential bis zu einem gewissen Grad fördern.
Die Komponente Mensch-Hund-Trainer in der Suchenarbeit
Der Hund bringt bereits bestimmte Anlagen durch seine genetische Disposition, seine Talente und seine gemachte Erfahrung mit ins Training.
Aber was ist mit dem Menschen? Auf der einen Seite haben wir den Hundehalter, der völlig zurecht, absolut überzeugt ist von den Talenten seines Hundes. Also eine gewisse Erwartungshaltung an den Hund und an den Trainer mitbringt. Auch er hat bestimmte Talente, eine gewisse Grundmotivation oder einen gewissen Antrieb.
Auf der anderen Seite haben wir den Trainer der gewisse Vorstellungen der Art und Weise der Vermittlung seiner Trainingsmethode hat, wie er Veranlagungen fördert, Potential aufzeigt und motivierend mit Mensch und Hund umgeht.
Also ein Hund, zwei Menschen, jeder mit gewissen Erwartungen und gemachten Erfahrungen. Manches mal ein komplexes Beziehungsdreieck.
Das Ding mit der Erwartungshaltung
Die genetische Disposition verleitet den ein oder anderen Seminarteilnehmer manchmal dazu sich entspannt zurück zu lehnen. Wenn Jagdhund drauf steht wird auch Jagdhund drin sein, Suchen und Apportieren hat er quasi mit der Muttermilch aufgesogen, fehlt nur noch der Feinschliff!
Was du aber aus den Fähigkeiten deines Hundes machst ist ganz klar die Sache deiner Motivation. Welche Erwartungen hast du an deinen Hund, an das Training und welche Ziele hast du dir gesetzt? Was ist dir wichtig, was weniger?
Das ganze beginnt nicht erst auf der Jagd, in der Prüfung oder beim wöchentlichen Training, sondern bereits zu Hause. Welche Absprachen gelten zu Hause und gibt es für euch bereits ein klares Regelwerk?
Steckt dein Hund die Nase lieber öfter in ein Mauseloch als gespannt mit dir zusammen auf die Pirsch zu gehen liegt bei den Grundlagen bestimmt irgendwo der Hase im Pfeffer.
Die Sache mit der Motivation
Wie schaut es mit deiner Motivation aus? Warum machst du das mit deinem Hund? Prüfungsgedanken? Aus Spaß?
Bei der Arbeit mit deinem Hund solltest du genau so viel Spaß am gemeinsamen Tun haben wie dein Hund. Die Stimmung überträgt sich von dir auf den Hund. Die „Jajaja, der macht das schon irgendwie Stimmung“ lässt deinen Hund auch genau so arbeiten. Bist du aber selber gespannt wie ein Flitzebogen dann überträgt sich auch diese Stimmung auf deinen Hund und du wirst es in der Arbeit bemerken.
Hast du dich schon mal gemeinsam mit deinem Hund in einer Aufgabe verloren? Ich finde genau in diesem Moment ist man seinem Hund besonders nah.
Sprich, ist der Hund von der Natur aus genetisch nicht so gut ausgestattet, kannst du durch Spaß und Motivation für euch als Team einiges herausholen.
Das heißt aber genauso im Umkehrschluß: Du hast einen tollen Hund an der Leine, die Motivation ist relativ im Keller und ohne Spaß und Motivation kann der Hund sein Potential nicht entfalten.
So, was heißt das jetzt?!?!
Das Wissen um deinen Hund über seine genetische Disposition, seine Veranlagung, seine Talente und Schwächen sowie die Motivation mit dir zusammen zu arbeiten ermöglicht dir schon mal einen guten Einstieg in die gemeinsame Arbeit und eurem Ziel nahe zu kommen.
Dein Trainer sollte dir das Potential deines Hundes aufzeigen, dich sinnvoll anleiten und euch motivieren ganz individuell Stück für Stück voran zu kommen.
Wie es die beiden Tage während des Seminars gelaufen ist?
Phantastisch! Diese unheimlich sympathische Dame mit ihrem kleinen Herrn Chi hat im Team so viel erarbeitet und die fehlende Größe und Eignung durch ihre Motivation wieder wett gemacht. Klar ist das Herr-Chi sicherlich nicht in eine Schweißhundstation aufgenommen wird, aber ich weiß dass die beiden Spaß am gemeinsamen Tun haben.
Und das wünsche ich auch dir und deinem Hund „Jede Menge Spaß am gemeinsamen Tun“
Nicole Lützenkirchen