Die verschwundene Ente ….
Im Prüfungsstress!
„Eure Hunde müssen die Ente sauber bringen“ … mit Zigarillo im Mundwinkel schreitet der Deutsch Drahthaarausbilder den Ausbildungsplatz tief im Walde auf und ab. Die bärtigen Jagdgesellen sitzen alle brav bei Fuß, den Blick nach vorne gerichtet neben ihren Hundeführern.
Letzte Ansage vor der anstehenden Herbstzuchtprüfung.
Naja … da muss dann wohl noch eine Generalprobe her! Mein bärtiges Tier ist sich da noch nicht so sicher mit der Ente. Oder vielleicht doch? Vielleicht gehen mir ja nur die Nerven durch und sie meint sie bräuchte das jetzt nicht wieder und wieder und wieder … Ja, ok! Zugegebenermaßen ist so eine dreimal aufgetaute und wieder eingefrorene Ente nicht mehr ganz so lecker! Aber „… einer geht da noch“.
Die anderen drei Bärties nehmen brav das Wasser an, schwimmen auf die andere Seite, stöbern wie die Bekloppten im Schilf, finden die Ente, schwimmen brav zurück, sitzen vor und geben die Ente nicht aus bevor ihnen Herrchen mit einem lauten „ So isser aber brav“ noch mal auf die breite DD-Brust klopft und auf ein scharfes „Aus“ die Ente hergegeben hat!
Nun gut mein bärtiges Tierchen, tu´s noch ein einziges mal vor der Prüfung für mich
„Vooorrrraaaannnn apppoooooort!“
Eine deutliche Geste, über das Wasser hinweg weisend, Richtung Ente und die Erwartungshaltung eines sich in die Fluten stürzenden Drahties. Erwartungen haben und Erwartungen erfüllt bekommen sind halt immer zwei Paar Schuhe. Das Bärtie biegt kurz vor der Wasserkante ab, nimmt meine Spur auf, läuft um den Tümpel herum und landet von der anderen Seite mit einem dicken Bauchplatscher im Wasser. Elegant ist anders, aber egal! Die Schilfhalme bewegen sich wie wild. Oha, sie stöbert fleißig. Für den Moment. Einen sehr sehr kurzen Moment. Dann Ruhe!
„Such voooooran“ …“Suuuuuuch“ ….. nichts! Minuten vergehen.
Meine Mitstreiter halten ebenfalls den Atem an. Die anderen Bärties verdrehen schon die Augen ob der Schande über die Zunft …. Heimlich knobeln sie schon wer mit ihr in die Prüfungsgruppe muss.
Eine große Brante legt sich um meine Schultern und ein gut gemeinter väterlicher Rat wird mir ins Ohr geflüstert: „Lauf Mädchen, lauf!“ Ich laufe so schnell wie mich meine geliebten Gummistiefel tragen, rutsche über moosige Steine, weiche (un)geschickt einigen Ästen aus und da rennen noch nie meine Stärke war, wird der Sauerstoff echt knapp. Ich erreiche keuchend den Schilfgürtel und rufe mit letzter Luft noch mal nach der Bärtigen.
Das Schilf raschelt ein wenig, da isse ja. Aber alleine. Wo ist das Ententier! Ich schaue genauer. Ich sehe das Ententier. Bzw ich sehe es nicht mehr ganz. Alles was noch übrig geblieben ist, ist ein Flügel der es gerade noch so schafft aus der braunen Schnüss heraus zu lugen. OMG … sie hat die Ente gefressen!
Ich versinke im Erdboden! Trotte gesenkten Hauptes zur Gruppe zurück. Kopfschütteln begrüßt mich, Unmutslaute und hier und da auch leises Gelächter.
Abmelden, ummelden, später melden …. die Flinte ins Korn schmeißen? Den noch frischen Jagdschein an den Nagel hängen …. was für eine Woche voller Zweifel und wüsten Gedanken. Das Bärtige war allerdings ziemlich entspannt!
Na gut! Wir waren gemeldet! Wie ein Mantra betete ich: „ und wie viele Leute auf der Welt wissen eigentlich was eine Herbstzuchtprüfung ist? Ein ganz ganz geringer Teil und dieser ganz ganz geringe Teil wird auch nur wissen wenn du dich hier zum Horst machst“ …“ vor mich hin.
Die ersten Prüfungsfächer liefen parademäßig. Schleppe wie am Schnürchen gezogen ausgearbeitet, Kaninchen aufgenommen und auf der Spur zurück gekommen. Vorgesetzt, festgehalten, ausgegeben. Fasan ebenso. Als hätte sie nie irgendetwas anderes gemacht. Wohlwollendes Nicken und eifriges Notizen machen der Richter in ihre kleinen Büchlein. Braves Bärtie!
Alles aufsitzen und ab ans Wasser …
Das Bärtie ganz entspannt in der Hundebox, friedlich vor sich hin schnarchend, während ich Mühe hatte der Korona aus Prüfern, Revierinhabern, Zuschauern, Wildträger und was da alles noch so mitwollte, durch den dichten Verkehr ins gefühlte Überüberübernächste Revier zu folgen. Einen kurzen Gedanken verschwendete ich noch kurz daran, das der besagte Teil der Mitwisser doch ein wenig größer war als gedacht.
Jetzt hieß es erst mal warten. Zwei waren noch vor uns dran. Wir durften nicht mit runter zum Wasser um zuzuschauen was die anderen Horste (ist das die Mehrzahl von Horst?) da so ablieferten. Also machten wir uns am Auto alle noch ein bisschen verrückt. Es gab noch Tipps von den ganz Alteingesessenen :“Du musst dir die Ente auf dem Weg zum Wasser unter die Jacke stecken, dann riecht die noch ein bisschen mehr nach dir. Also früher haben wir uns die ja unters Kopfkissen gelegt …“.
Ihhhhhhhh …. Jägerlatein! Wer macht denn sowas?!?
Nutzt alles nix … wir waren an der Reihe. Ich übergab die Ente dem Richter und er legte sie irgendwo im tiefen tiefen Schilf für uns aus. Wie schon so oft geübt sollte das Bärtie das Wasser sofort annehmen, die freie Wasserfläche überqueren und stöbernd das Schilf nach der Ente umdrehen.
Eine richtungsweisende Geste, wie selbstverständlich nahm sie das Wasser an, schwamm mit langen Zügen völlig souverän auf die andere Seite in den Schilfgürtel hinein. Systematisch wurde alles auf links gedreht und abgesucht. Dann … Ruhe!
Mir wich so nach und nach alle Farbe aus dem Gesicht. Die Prüfer reckten ihre Hälse auf der Suche nach der Bärtigen. Eine kräftiger Schulterschlag des Richters neben mir, ich geriet ins taumeln. „Sach´ma´, die frisst doch wohl jetzt nicht die Ente, oder“? Hinter mir verschluckte sich mein Ausbilder an seiner eigenen Spucke. Ich mit der letzten Luft : „ Quatsch, das hat die noch nie gemacht“! Ob der fehlenden Farbe konnte man in meinem Gesicht keine Spur des Schwindelns erahnen. Sekunden des Bangens ….
Und da war er wieder, der Weg über Land. Wozu schwimmen wenn man auch drum herum laufen konnte. Ein nasser brauner Panter mit Ente im Fang! Vorsitzen, festhalten, ausgeben … „Soooooo, war sie aber brav“! Der letzte Check des Richters, die Ente war nicht angeschnitten. Volle Punktzahl! Fertig!
Der Stein der mir vom Herzen viel hätte glatt eine Monsterwelle am Tümpel verursachen können und ich schwöre die Bärtige hatte mal wieder ein Grinsen in der Schnüss. Horst war also nicht zu meinem zweiten Vornamen geworden. Das Bärtie hat es mal wieder rausgehauen … So wie immer halt in den letzten 13 Jahren!
Nicole Lützenkirchen
P.S. Und ganz ganz tief in meiner damaligen unschuldigen und kleinen Jungjägerseele, hab ich ganz ganz fest geglaubt, dass es auch irgendwas mit der Ente zu hatte, die ich auf dem Weg zum Wasser unter meiner Jacke getragen habe.
Bild: Inga Haase – Flain-Fotografie (Vielen Dank für dieses wunderbare Bild liebe Inga)